Geschichte über Komplexe posttraumatische Belastungsstörung .

Ein (ungewollter) Begleiter fürs Leben

26.12.2017

Von: Maria

Jahr der Diagnose: 2014


Im Folgenden möchte ich erzählen, welchem Umstand und welchen Personen ich die Erkrankung komplexe Posttraumatische Belastungsstörung zu verdanken habe. Ich muss dazu sagen, dass der folgende Text sehr lang ist, da er teilweise auf meinen Memoiren stammt (Schreiben ist ein Hobby von mir):

Ich bin das zweite von fünf Kindern. Wir waren nicht gerade reich, doch trotzdem bekam meine Mutter stets die nötige Aufmerksamkeit, die sie sich offensichtlich so sehr wünschte. Ich will es einmal so sagen: Nur zwei von fünf Kindern müssen sich einen Vater teilen. Ich besitze ebenfalls das Privileg meinen Vater nicht teilen zu müssen. Naja, inzwischen schon, da ich kurz nach meiner Volljährigkeit erfahren habe, dass er wohl noch eine Tochter hat. Also habe ich, streng genommen, nicht vier sondern fünf Halbgeschwister. Kurzum, meine Mutter hatte gerne viel Spaß und dachte erst danach über mögliche Konsequenzen nach. Doch solche „Konsequenzen“ kann man ja ganz einfach loswerden. Mein großer Bruder machte den Anfang und kam zuerst zu Pflegeeltern.
Weniger als ein Jahr später kam ich auf die Welt. Mein Vater, Mann Nr. 2, verschwand. Ich weiß nicht wer er ist und habe auch keinerlei Erinnerung an ihn. Nur kurze Zeit später kam auch schon der nächste Mann, der so sehr mit seinen Eigenschaften überzeugte, dass er kurzerhand geheiratet wurde. Diese Ehe brachte meinen kleinen Bruder, meine kleine Schwester und eine Handvoll Traumata hervor.
Ich kenne meinen Stiefvater ebenfalls nicht mehr. Meine Erinnerungen beinhalten ihn kaum. Alles was ich über ihn erzähle habe ich wiederum ebenfalls aus Erzählungen. Vermutlich gehört er zu dem Typ Mann, der sein wahres Gesicht erst dann zeigt, wenn er bekommen hat was er wollte. Im Fall meiner Mutter muss sie inzwischen so abhängig von ihm geworden sein, dass es für sie kein Zurück mehr gab. Sie ahnen es vielleicht schon: Meine Mutter heiratete doch tatsächlich einen gewalttätigen Säufer. Ich kann mir nicht vorstellen wie viel Dummheit und Naivität nötig sein muss, um so etwas zu tun. Entweder war sie so verliebt in ihn, dass die sprichwörtliche durch Liebe ausgelöste Blindheit über Jahre anhielt. Oder sie war so verzweifelt und überfordert mit mehreren Kindern verschiedener Väter, dass ihr jede noch so kleine Aussicht auf Unterstützung recht war. Wahrscheinlich von allem etwas. Meiner Meinung nach war sie schon mit der Fähigkeit geboren worden konsequent die vergeblichen Versuche ihrer Vernunft einzugreifen, unterdrücken zu können. Ich bin überglücklich, dass sie dieses „Talent“ nicht an mich weiter gereicht hat. Expertenmeinungen zufolge rührt ihr Verhalten vermutlich aus einer ebenfalls zerrütteten Kindheit. Warum man daraus dann nicht lernt, sondern seinen eigenen Kindern ebenfalls die Aussicht auf eine behütete und folgenlose Kindheit nimmt, wirft ebenfalls Fragen meinerseits auf.
Mein kleiner Bruder wurde zwei, meine kleine Schwester fünf Jahre nach mir geboren. Sie können nun selbst ausrechnen wie lange wir mindestens unter diesem Tyrann leben mussten. Wie gesagt, ich kann mich kaum an etwas erinnern. Jahre später bestätigte mein Stiefvater die Gerüchte in betrunkenem Zustand gegenüber meiner Schwester, die kurzzeitig Kontakt zu ihm hatte. Und Betrunkene sagen schließlich immer die Wahrheit, nicht wahr?
Unsere Mutter bekam das Meiste ab. Es setzte augenblicklich Prügel sofern zwei Kriterien erfüllt wurden: Sein Promillepegel war weit über einer akzeptablen Grenze und irgendetwas passte nicht in sein perfektes Weltbild. Das konnte alles sein: Die Frau war nicht schnell genug damit, seine Wünsche zu erfüllen oder schlimmer noch- sie verweigerte einen Befehl und verschlimmerte die Situation damit zusehends. Oder eines der Kinder weinte grundlos.
Für dieses Problem fand sich jedoch schnell eine effektive, wenn auch grauenvolle Lösung: Man gab ihm einfach einen Grund. Diese Erfahrung durfte ich ebenfalls machen. In meinen ersten Lebensjahren war ich sehr anstrengend. Ich weinte viel und machte es somit niemandem leicht. Ich möchte keinesfalls die Schuld auf mich nehmen, aber mir ist bewusst, dass es mit mir nicht immer einfach war. Man kann natürlich hier das Argument anführen, dass wohl jedes Kind unter solchen familiären Umständen alles andere als glücklich gewesen wäre. Entschuldigen kann man die nachfolgende Tat daher überhaupt nicht. Doch ich komme später zu einigen Szenen, die typisch für mein Verhalten waren und an die ich mich noch gut erinnern kann.
Ich weinte also wieder einmal. Meine Mutter hatte es aufgegeben nach dem Grund für meine Trauer zu suchen und wahrscheinlich auch damit mich zu beruhigen. Ich hätte vermutlich sowieso nicht auf sie gehört. Ihre fehlgeschlagenen Versuche blieben auch nicht meinem Stiefvater verborgen. Nachdem er den Grund für mein „Geschrei“ nicht in Erfahrung bringen konnte, beschloss er die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Kurzerhand hob er mich hoch über seinen Kopf, ließ mich fallen und schloss seine Tat mit den Worten: „Jetzt hast du einen Grund zum Heulen!“
Mit Blick auf diese unfassbare Tat würde mich interessieren was danach geschah. Stellen Sie sich ein kleines, weinendes Bündel vor, das zusammen gekauert auf dem Boden liegt. Ein Mädchen zwischen drei und fünf Jahren, das geschockt sein muss, vielleicht auch Schmerzen hat und sich fragt, was soeben passiert ist. Es hat Angst, fleht um Hilfe und wünscht sich nichts mehr als Sicherheit, Geborgenheit und Trost . Kam meine Mutter angelaufen um mich in den Arm zu nehmen und zu trösten? Lief sie zu dem Gewalttäter und schlug auf ihn ein? Schrie sie ihn an? Verteidigte sie ihre Tochter? Hatte sie die Tat überhaupt mitbekommen? War sie evtl. gerade in einem Nebenraum gewesen, hörte nur den Aufprall, den abschließenden Satz und das Aufschreien eines Mädchens?
Ich sage Ihnen, was ich glaube: Sie tat nichts und sah darüber hinweg. Sie ist zwar meine Mutter, verhielt sich aber nie so. Eine Mutter beschützt ihr Kind. Sie würde alles tun, um es vor drohendem Unheil zu beschützen. Nicht so diese Frau. Wie sie auch Jahre später bewies, hatte sie sicher tatenlos zugesehen und war womöglich noch froh darüber, dass es diesmal nicht sie getroffen hatte.
Ein weiteres Mittel an seinen Willen zu kommen war die Drohung mit den Kindern selbst- genauer deren Gesundheit. Hier kam dann wohl doch ein wenig ihr Beschützerinstinkt zum Vorschein, da wir noch alle leben. Es hat sich folgendes zugetragen: Offensichtlich war verprügeln nicht mehr effektiv genug, um an seinen Willen zu kommen. Das Tunken in verschütteten Alkohol, wie einen Welpen in seine Hinterlassenschaften und das Ohrfeigen von Säuglingen waren nur nebensächliche Aktionen von meinem Stiefvater. Spannender war das Spielen mit dem Leben der Kinder. Für einen erwachsenen Mann ist es ein leichtes ein Kleinkind, sogar einarmig, aus dem Fenster zu halten und zu drohen es fallen zu lassen, sollte sich der gewünschte Erfolg nicht sofort einstellen. Unsere Vollzähligkeit und Unversehrtheit spricht für den Erfolg dieser Methode. Genau dieser Einfallsreichtum wurde Jahre später von meinem Stiefvater stolz (und besoffen) ebenfalls bestätigt.
Bestimmte Verhaltensweisen von mir, lassen mich vermuten, dass mein Stiefvater noch mehr mit mir gemacht hat. Ich bin unsicher, ob er wirklich bis zum Äußersten gegangen ist, aber ich bin davon überzeugt, dass er sich mir auch auf andere Weise genähert hat. Folgende Hinweise sprechen dafür: Ich schlafe nur mit dem Gesicht zur Tür. Ich habe es schon als Kind nicht ertragen, wenn ich mit etwas oder jemandem das Bett teilen musste. So hatte ich nie ein Kuscheltier. Und der größte Hinweis dürfte wohl die Tatsache sein, dass ich sowohl aromantisch als auch asexuell bin.

Irgendwann war es wohl zu viel und meine Mutter ist mit uns in ein Frauenhaus geflohen. Kurz danach kamen wir vermutlich in eine eigene Wohnung, wo sie uns komplett vernachlässigte. Ich kümmerte mich mit 5 Jahren um meinen 3-jährigen Bruder und meine 10-Monate alte Schwester. Schließlich schrieb meine Mutter ihrer damals besten Freundin einen Brief, den diese sofort an das Jugendamt weitergab, das uns sofort rausholte und uns in ein Heim brachte.
Nach 2,5 Jahren kamen wir zu Pflegeeltern, bei denen ich noch heute regelmäßig bin. Meine leiblichen Eltern haben mich sofort zur Adoption freigegeben und da meine Mutter kurz nach unserer Abgabe schwanger geworden war, wollte sie auch die anderen beiden erstmal nicht mehr haben.

Heute habe ich nur noch zu meinem kleinen Bruder Kontakt und versuche mit den Folgen des Erlebten zurechtzukommen.

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